Vom Wind – Wasser – und Krankheiten

Seit Menschengedenken kämpft die Menschheit um Ruhm, Macht und Ansehen und dafür, so scheint mir, sind alle Mittel recht. Ein Kampf der manchmal die Sinne vernebelt.
In der Kampfkunst versuchen wir vielleicht dasselbe, nur ist es hier nicht von Vorteil mit vernebelten Sinnen einen Zweikampf zu bestreiten.

Was auch immer behauptet wird, in der Kampfkunst wird mittels täuschen, verschiedenen Bewegungen und ständigen Veränderungen, den Gegner zum ersten Schlag zu verführen, um so zu gewinnen.
Wenn wir jedoch nicht in der Lage sind, Geist und Körper getrennt und frei von allem zu bewegen, sind wir nicht in der Lage zu gewinnen. Das Innere (nicht sichtbare) sowie das Äussere (sichtbare) müssen eins sein wie Yin und Yang. Bewegung ist Yang, Ruhe ist Yin.

Dem Geräusch von Wind und Wasser zu lauschen bedeutet, äusserlich Ruhe und innerlich Kampfgeist zu bewahren. Der Wind selber hat keine Stimme, er macht nur dann ein Geräusch, wenn er auf etwas trifft. Wenn er hoch oben bläst, so ist er lautlos, berührt er unten auf der Erde Bäume, Büsche und andere Dinge, so wird seine Stimme laut und zeigt uns seine unbändige Kraft.
Auch das Wasser hat kurz nach seinem Quellensprung keine Stimme, wenn es aber weiter unten durch die tosenden Wasserfälle fliesst, wird es laut und zeigt seine zerstörerische Kraft.
Auch das Feuer ist gleich gelagert, eine Kerze brennt still vor sich hin, gibt man dem Feuer jedoch Nahrung, so entsteht eine Feuersbrunst.

Im Kampf bedeutet es….
Bewahre äusserliche Ruhe, bleibe unaufgeregt und gelassen, innerlich sei jedoch hellwach im Kampfesgeist. So können wir in der Kampfkunst den Geist arbeiten lassen und aufmerksam bleiben, während der Körper unaufgeregt und gelassen bleibt. Wenn der innere und äussere Geist verschmelzen und der Unterschied zwischen beiden verschwindet, so sind wir in der Lage jeden Kampf zu gewinnen.

Es ist wie mit Autofahren. In den ersten Fahrstunden sind wir innerlich sowie äusserlich angespannt, ja schon fast verkrampft. Alles fällt schwer vieles gleichzeitig zu machen und dann noch die Spur zu halten. Wenn wir jedoch schon viel Fahrpraxis haben, so fahren und lenken wir entspannt. Können das Fahren geniessen und trotzdem ist unser Geist hellwach auf die Strasse konzentriert. Wir sind in der Lage die Gefahren abzuschätzen und eine Vollbremsung zu machen, wenn es dann gefordert ist.

Es sei denn, dass wir von Krankheiten befallen sind…

Als ich neulich mit meinem besten Freund philosophierte und ich sagte:» Ein Kämpfer lebt für den Kampf und ein Kämpfer kämpft um den Sieg» erwiderte er mit «Ein Kämpfer kämpft um nicht zu verlieren»
Im ersten Moment dachte ich, das ist doch dasselbe einfach anders gesagt. Aber wie ich so bin, überlegte ich, dachte nach und fing an in meinen schlauen Büchern zu lesen.
Und so entstand dieser Bog den ich gerade jetzt gerne mit Euch teile.

Es gilt als Krankheit vom Gedanken an den Sieg besessen zu sein. Auch gilt es als Krankheit, die eigene Kampfkunst einsetzen zu wollen um das Gelernte zum Angreifen nutzen zu wollen. Und es ist eine Krankheit, vom Gedanken besessen zu sein, sich von diesen Krankheiten befreien zu wollen.
Der Gedanke sich von einer Krankheit befreien zu wollen ist jedoch ein Wunsch. Wenn der Gedanke auftaucht, entsteht der Wunsch. Doch der Gedanke sich von dem Wunsch zu befreien ist selber ein Wunsch. Wir versuchen also, uns durch einen Wunsch, von einem Wunsch zu trennen. Wenn man den Wunsch los ist, so hört er auf zu existieren. Wenn die Krankheit, die in einem Wunsch zurückbleibt, mittels eines Wunsches beseitigt wird, dann hören sowohl der Wunsch die Krankheit loszuwerden, als auch der Wunsch sie los zu sein auf zu existieren. Ich stelle mir das bildlich so vor…
Wenn ein Keil nicht entfernt werden kann, so benütze einen zweiten Keil. Setze diesen seitlich neben dem ersten Keil, bis dieser herausgezogen werden kann. Ist der erste Keil raus, so wird auch der zweite nicht zurückbleiben. Wenn es uns gelingt, sich selber einer Krankheit zu überlassen und in ihr völlig zu verweilen, so sind wir diese bereits los.

Ich beobachte in meinem Dojo immer wieder, dass meine Schüler beim Partnertraining und im Kumite aufhören mit den Augen zu blinzeln. Blinzeln ist jedoch eine natürliche Gegebenheit und Zeichen von geistiger Ruhe. Nicht mehr blinzeln ist ein Zeichen von Verkrampfung und bewegtem Geist mit allen Mitteln gewinnen zu wollen, also eine Krankheit. Blinzelt jemand im Zweikampf oder in den Partnerübungen so ist der Geist völlig frei.
Diejenigen die meinen Blog jetzt gelesen haben und denken beim nächsten Training blinzle ich, so denkt daran, dies ist wiederum eine Krankheit.

In diesem Sinne und Übung macht den Meister

Eurer Rolf

 


© Beitrag von Rolf Oppenberg